Nicole Makarewicz: Kein Gutes Händchen

3. Platz Putlitzer Preis® 2020

Also manchmal, da fragst du dich wirklich. Wie blöd kann ein Mensch sein? Nicht, dass es mich überrascht, aber Grenzen sollte die Dummheit doch haben. Da wundert es mich nicht, dass wir dabei sind, uns selbst auszurotten.

Trotzdem, von der Kathi hätte ich mir mehr erwartet. Dumm war sie nämlich nicht. In der Schule hat sie super Noten gehabt, sogar die Matura hat sie gemacht, und die schafft nicht jeder. Aber Hausverstand, wie’s in der Werbung immer heißt, der ist der Kathi komplett abgegangen. Schon als junges Mädel hat sie sich immer in die ärgsten Versager verliebt. Der Huber Michl, zum Beispiel, der war sogar zu blöd zum Schuhzubinden. Weil, wie dumm musst du sein, um dem Bürgermeister sein Moped zu fladern, fünf Aufkleber draufzupicken, und dann zu versuchen, es ihm zurückzuverkaufen? Den Huber Michl haben’s dann nicht einmal eingesperrt, nur ausgelacht, und ein paar Wochen lang hat er die Ausnüchterungszelle putzen müssen. Sozialstunden haben’s das genannt, weil sie einen Namen dafür gebraucht haben. Ob er was daraus gelernt hat? Ich glaub nicht, gegraust hat ihm halt vor der Speibe und den Besoffenen, aber gescheiter hat ihn das Zellenputzen nicht gemacht. Sonst tät er nicht seit fünf Jahren einsitzen, weil er dem Kogler Harald seine Trafik hat ausrauben wollen. Der hat ihn aber natürlich erkannt, der Michl hat ja schon seine Mickey-Mäuse beim Kogler Harald gekauft und später dann seine Zigaretten und die Schmuddelheftln, aber eh nur wegen den Artikeln. Der Kogler Harald hat den Michl mitsamt seinem Spielzeugrevolver zum Teufel gejagt. Angezeigt hat er ihn nur, weil er sich so darüber geärgert hat, dass der Michl ihn für blöd verkaufen hat wollen.

Aber genug vom Michl, ich wollt ja von der Kathi erzählen. Nachdem der Michl weggesperrt worden ist, hat sie sich in den Losdörfler Johannes verschaut. Der hat wie der Michl nicht sonderlich viel auf dem Kasten gehabt, dafür aber jede Menge Muskeln, die waren sein ganzer Stolz. Dass der Kathi ihre Liebe nicht auf Gegenseitigkeit beruht hat, hat jeder gewusst, nur sie nicht. Sie ist nämlich nicht nur strohblond, sondern auch blauäugig, also in jeder Hinsicht. Der Johannes hat die Kathi bei sich einziehen lassen, ist ja auch praktisch, wenn dir ein fesches Mädel den Haushalt führt und dir außerdem auch noch quasi die Füße küsst. Was die Kathi nicht gewusst hat, oder nicht hat wissen wollen, war, dass der Johannes sich durchs ganze Tal gevögelt hat. Ob ledig oder nicht, der Johannes war nicht wählerisch. Wenn die Kathi erzählt hat, was für ein Glück sie mit dem Johannes hat, haben alle nur blöd gegrinst, aber nix gesagt. Am Anfang hat die Kathi noch geglaubt, dass die anderen neidig auf sie und den Johannes sind, so eine Liebe, hat sie sich gedacht, die ist halt was Besonderes, die hat nicht jeder. Weil das Gegrinse nicht und nicht hat aufhören wollen, ist die Kathi schon ganz verunsichert gewesen. Nur am Johannes, an dem hat sie nie gezweifelt. Irgendwer hat der Kathi dann aber doch noch gesteckt, was der Johannes treibt und mit wem und überhaupt. Die Kathi hat den Johannes dann zur Rede gestellt. Der hat erst gar nichts abgestritten, sondern sich auch noch über sie und ihre Blauäugigkeit lustig gemacht.

Das war dann sogar der Kathi zu viel. Sie ist heulend abgezogen, zurück zu den Eltern, die sie wieder aufgenommen haben, aber nicht mit offenen Armen. Von gebrochenen Herzen haben sie nichts verstanden und auch nichts wissen wollen. Die Kathi soll kein Drama machen, haben sie ihr gesagt, sondern sich lieber einen Mann suchen, der sie auch behaltet. Weil jünger wird sie ja nimmer, und dass sie sich ewig Zeit lassen kann, dafür ist sie nicht hübsch genug.

Der Chef von der Kathi im Tourismusamt, der hat sich, im Gegensatz zu den Eltern, um die Kathi gekümmert. Und zwar mit Ganzkörpereinsatz. Allerdings hat die Frau vom Chef recht bald spitzgekriegt, wie besorgt der Chef um die Kathi war. So schnell hast du gar nicht schauen können, war die Kathi den Chef los und ihren Job gleich mit. Ein doppelter Schlag also.

Ich glaub, ich muss nicht dazusagen, dass die Kathi im ganzen Ort Thema gewesen ist. Alle haben sich das Maul zerrissen über sie, kein gutes Haar haben sie an ihr gelassen. Die Chefsache haben sie ihr besonders übelgenommen, weil der verheiratet war, und die Kathi ihn verführt hat. Wie hätte es denn bitte anders sein sollen, der Chef war ja ein hochanständiger Mann, der Vorsitzende vom Schützenverein und der Schwager vom Bürgermeister noch dazu. Keiner, der seine Frau betrügt, wenn man ihn nicht quasi dazu zwingt. So wie die traurige Kathi mit dem gut ausgefüllten Dirndl, das sie bei der Arbeit zwar immer hat anhaben müssen, aber so aufreizend hätte sie ja trotzdem nicht sein müssen. Dem Chef ist gar nichts anderes übriggeblieben, als sie zu trösten, und dann ist eins zum anderen gekommen und da kann man ihm jetzt wirklich keinen Vorwurf machen, oder?

Die Kathi hat das alles nicht gut verkraftet. Ein Nerverl ist sie gewesen, ständig am Heulen und Greinen und Jammern. Als ich mich ihrer erbarmt hab, da war sie dann auch echt dankbar. Die fünfundzwanzig Jahre Altersunterschied haben niemanden gestört, so froh waren alle, dass die Kathi doch noch angebracht war. Geheiratet hab ich sie dann auch recht flott, wozu warten, hab ich mir gedacht, und die Kathi hat sowieso zu allem Ja und Amen gesagt. Am Anfang jedenfalls. Später ist sie lästig geworden, hat Ansprüche gestellt, noch und nöcher, ständig war sie am Nörgeln und Stänkern. Nichts war ihr recht und ich schon gar nicht. Zur Weißglut hat mich das Weib getrieben. Nicht nur einmal, das können’s mir glauben.

Wie gesagt, ich hab mir mehr von der Kathi erwartet. Ich hab ihr zwar gedroht, dass ich sie umbring’, wenn’s mich weiter nervt, aber ernst gemeint hab ich das nicht. Weil, wer redet keinen Blödsinn, wenn die Wut hochkocht? Und, ganz ehrlich, was kann ich denn dafür, wenn mir die dumme Nuss ins Messer rennt?

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