6. Platz Putlitzer Preis® 2025
Plündern, was geht. Es ist meine erste Party, und das ist jetzt mein Motto.
Andere in meinem Alter waren schon auf so vielen Partys, dass sie gar nicht mehr mitzählen können. Aber mich hat noch nie einer eingeladen, und jetzt bin ich auch nur hier, weil Tobse mein Stiefbruder ist und weil sein Vater ihm die Hölle heiß gemacht hätte, wenn er mich nicht eingeladen hätte. Tobse feiert mit Dragon, und Dragon wohnt in einer richtig schicken Hütte, alles nur Glas und Stahl.
Ich habe mir extra ein neues Kleid gekauft, ein dunkelgrünes, das bis zu den Knöcheln geht. Weil meine Ma gesagt hat, dass das gut zu meinen Augen passt. Ich habe mir die Wimpern getuscht und die Lippen angemalt und die Nägel bunt lackiert.
Und dann bin ich direkt an der Tür in die Nine aus meiner Klasse reingelaufen, und die hat gesagt: „Oh, eine Seegurke“, und ich weiß, wie eine Seegurke aussieht, weil wir die letztens in Bio drangenommen haben, und der Dragon hat so gewiehert vor Lachen. Und dann bin ich ins Bad gegangen und hab ein bisschen geheult, und jetzt bin ich eine grüne Rolle mit knallroten Lippen und pechschwarzen Rändern unter den Augen.
Eine heulende Stiefschwester auf der eigenen Party, das ist nix. Und deshalb hat Tobse mir die Bong rübergegeben, und das hat schön geblubbert und gepiekst in der Lunge, und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich seit einem ganzen Monat nichts mehr gegessen habe.
Ich bin im Wohnzimmer am Buffet. Jeder hat was mitgebracht. Ich esse angetrocknetes Weißbrot und mayonnaisegetränkten Kartoffelsalat und Marmorkuchen und Mett mit Zwiebeln und kleine Tomaten in Gelb und Rot und riesige Muffins mit irgendeiner knallbunten Schicht obendrauf und Sardinen und Möhren mit Guacamole. Ich esse Nudelsalat mit getrockneten Tomaten und saure Gurken und Vollkornbrot mit grauer Pampe und Käsewürfel mit grünen Trauben und neongelben Wackelpudding.
Die anderen sind Schemen im Halbdunkel. Sie schauen mir zu oder schlafen mit offenen Mündern oder knutschen mit wem oder starren in die Luft. Die Musik wummert, irgendein elektronisches Zeug, und der Tobse tanzt einsam gegen die Wand. Über einem Sessel hängt der Dragon mit der Nine aus meiner Klasse, und der Dragon will die Nine küssen, aber die Nine will nicht. Und so sieht meine erste Party aus. Ich lasse die Nine unter dem Dragon liegen und plündere, was geht.
Als ich alles gegessen habe, was ich finden konnte, schiebe ich mich durch die Räume, bis ich eine Treppe finde, und dann schiebe ich mich die Treppe hoch und durch eine Tür und da ist ein Bett, also rolle ich mich drauf, und dann fallen mir die Augen zu, und es wird still.
Und dann wache ich auf, weil ich nämlich nicht mehr allein in diesem Bett liege. Irgendwas Schweres und Warmes liegt da noch und bläst mir ins Gesicht und riecht nach Bier, und das ist Dragon, und der sucht bei meinem knöchellangen Kleid irgendwo nach einem Anfang oder einem Ende, und seine Hand wandert meinen ganzen Körper lang.
Und dann wache ich auf, weil ich nämlich nicht mehr allein in diesem Bett liege. Irgendwas Schweres und Warmes liegt da noch und bläst mir ins Gesicht und riecht nach Bier, und das ist Dragon, und der sucht bei meinem knöchellangen Kleid irgendwo nach einem Anfang oder einem Ende, und seine Hand wandert meinen ganzen Körper lang.
„Nich“, sage ich, und weil das sehr leise war und der Dragon weitermacht, sage ich „NICH.“
„Komm schon“, murmelt der Dragon, „nur bisschen schmusen, ich zeig dir mal, wie das ist.“
Und sein Atem wird schneller, und er wird immer schwerer, und ich versuche ihn irgendwie von mir runterzubekommen. „Krieg ich ein Küsschen“, sagt der Dragon, und das klingt fast schon flehend. Seine Augen hängen auf Halbmast, und in meinem Magen rumpelt es, und ich denke an Mett mit Zwiebeln und Muffins mit irgendwas. Und ich denke an die Seegurke, und die schleudert ihre Eingeweide aus dem Po, um sich zu verteidigen, und dann wachsen die wieder nach, als ob nie was gewesen wäre.
Und es rumpelt noch mal und ich habe einen sauren Geschmack im Mund und ich rufe „Achtung“, aber der Dragon macht weiter und Zeit hätte er sowieso keine mehr gehabt, um aus dem Weg zu gehen. Und dann kotz ich den Dragon voll, ins Gesicht und aufs Hemd und überhaupt, das ganze Buffet kommt wieder raus und fließt über den Dragon und das Bett.
Der Dragon schreit rum und springt auf und flippt aus, und ich streife mit den Ärmeln die Kotze von meinem Kleid und aus meinem Gesicht. Und dann rolle ich mich aus dem Bett und steh auf und gehe die Treppe runter. Und ich geh durch das Wohnzimmer und grinse die Nine an und gehe raus aus dem Tempel und nach Hause, zu Fuß, und zu Fuß heißt zu Fuß, weil ich meine Schuhe irgendwo stehengelassen habe. Aber die Steinchen auf dem Asphalt merke ich gar nicht, und eins ist mal klar, so schnell legt sich keiner mehr zu mir ins Bett.